Das Dividuum
2. Juli bis 16. Juli 2021
Gezeigte Werke von Jacob Lawrence, Chris Marker und Alain Resnais, Emmanuela Soria Ruiz, Drexciya, Roee Rosen, Octavia Butler, Karl Marx und Friedrich Engels, Sergej Eisenstein, Sylvère Lotringer, Ruth Patir, Andrej Platonow, Paul Klee, El Lissitzky, Georges Bataille, Emanuel Almborg, Shana Lutker und Platon Kerschenzew
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Die Ausstellung “Das Dividuum” im Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg erkundet eine in Entstehung begriffene Subjektivität, die von sich selbst getrennt und immer schon Teil von etwas ist. Seit der Antike wird das Individuum (griechisch átomos, lateinisch individuum) philosophisch, juristisch und psychologisch als eine vom Rest deutlich geschiedene und von sich selbst nicht abteilbare Entität definiert. In unserer Gesellschaft wird das Individuum als eine objektive Subjektivität wahrgenommen. Da sich die Beziehungen und gesellschaftlichen Institutionen, die das Individuum konstituieren, und die, die sich um es herum ausbilden, ändern, gab es im Laufe der Geschichte einen ständigen Kampf um Geschlecht, Klasse, „Rasse“, Ethnie und Artzugehörigkeit der als Individuen Anerkannten. Die lange Geschichte der Individuation ist in Philosophie, Literatur, Rechts- und Sozialwissenschaften gut dokumentiert, doch finden wir in der Geschichte der Künste Iterationen und Beispiele für das Dividuum. Das Dividuum steht für eine breite Palette von Subjektivitäten, die geteilt sind und zugleich immer in Beziehung zu anderen stehen. Durch einen multidisziplinären Ansatz wird die Ausstellung diese kontingenten Subjektivitäten mit Hilfe umfangreichen Quellenmaterials erforschen. Der Begriff „Dividuum“ wurde an unterschiedlichen Stellen geprägt, als Anthropolog*innen, Philosoph*innen und Künstler*innen versuchten, eine relationale Subjektivität zu beschreiben, die nicht der Logik des Individuums entspricht.
„Das Dividuum“ präsentiert verschiedene Perspektiven als Einstiegspunkte ins Dividuelle: sie finden sich in der anthropologischen Literatur Südasiens, Melanesiens, Amazoniens und der Anden, wo es als eine Form der Verwandtschaft erscheint; in der Kritik der „Kontrollgesellschaft“ und beim Aufstieg digitaler und finanzieller Netzwerke, wo es als aufgeteilte Subjektivität erscheint; in den Black Studies, im Afrofuturismus und in Widerstandsformen gegen Sklaverei, wo es als Präsenz erfahrbar wird, die sich historisch ausdehnt und so die Solidarität der Undercommons erzeugt; im Zusammenhang mit dem Schock der Moderne taucht es als Seinsform auf, die das Individuum sowohl ausdehnt als auch trennt, im Surrealismus und in der Psychoanalyse, im Marxismus und im Feminismus; in Bezug auf die Schockarbeiter, den ersten Fünfjahresplan und die sowjetische Managementwissenschaft beschreibt es das Streben nach Messbarkeit, einem Gradmesser zwischen Individuum und Masse oder zwischen Person und Kollektiv; in der Philosophie der Biologie schließlich wird es als Holobiont wahrgenommen - eine Ansammlung von Elementen, die so ineinander eingefaltet sind, dass Symbiose und eben nicht die separaten Organismen im Mittelpunkt evolutionärer Prozesse steht.
Unter dem Eindruck des Fortbestehens dieser gesellschaftlichen Vorstellungen betrachtet „Das Dividuum“ die Beziehungsmöglichkeiten für Leben, Denken und Organisieren, und dies mit den Mitteln, die das Dividuum für andere Wege des In-der-Welt-Seins vorgibt – jenseits des Individuums.
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Die Ausstellung wurde im Rahmen des Master-Studiengangs „Kritik der Gegenwart“ an der Leuphana Universität entwickelt und wird von den Studierenden des Seminars „Das Dividuum“ unter Leitung des Kurators Joshua Simon gemeinsam mit dem Kunstraum der Leuphana Universität und unter Mitarbeit von Simone Curaj organisiert. Die Ausstellung umfasst Werke zeitgenössischer Kunst, Archivmaterialien, Bücher, Filme, Plakate sowie historische Kunstwerke, mit freundlicher Genehmigung des Museums für Gestaltung in Zürich, des Zentrums Paul Klee in Bern, der Nettie Lee Benson Latin American Collection of Aztec Maps der University of Texas in Houston, Bibliothek, Museum und Botanischen Gärten von The Huntington, San Marino, Kalifornien, des Marx und Engels Manuskriptarchivs am International Institute of Social History in Amsterdam und privaten Quellen.
Eine erweiterte Version der Ausstellung wird von September bis November 2021 in den Los Angeles Contemporary Archives zu sehen sein.
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Kuratiert von Joshua Simon