Die Gewalt des Gesprächs. Vom Reden und seinem Nutzen in der zeitgenössischen Kunst

Wintersemester 2025/26

Das öffentliche KünstlerInnengespräch ist aus der zeitgenössischen Kunst nicht mehr wegzudenken. Ob sie der Kontextualisierung von Ausstellungsinhalten, der Inszenierung von Künstlerpersönlichkeiten oder ganz allgemein „der Vermittlung und dem Diskurs“ (so der offizielle Tätigkeitsbereich einiger neu definierter Kurator*innenstellen) dienen, ihr Erfolg lässt sich auf den seit Langem bestehenden Glauben an die demokratisierende Wirkung des öffentlichen „Dialogs“ und den damit verbundenen Legitimationsdruck öffentlicher Institutionen zurückführen. Nicht selten wird die ästhetische Erfahrung selbst als eine Form des Dialogs beschrieben. Mit der zuletzt üblich gewordenen Choreografie der öffentlichen Ausladung – insbesondere von palästinensischen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen – rückt die Frage erneut in den Fokus, wem diese Gespräche dienen und wer an ihnen teilnehmen darf. Dies verdeutlicht die Bedeutung von Gesprächen für die Normalisierung und Operationalisierung von Grenzen im institutionalisierten Diskurs. Über diesen „Conversations Industrial Complex“ (Alex V. Green) schrieb der palästinensische Dichter und Künstler Fargo Tbakhi kürzlich: „Die Fetischisierung des Gesprächs und seiner Bestandteile, des Dialogs und des Zuhörens, ist ein koloniales Mittel, um die materiellen Forderungen der Kolonisierten und Rassifizierten zu verschleiern, zu unterdrücken und zu begrenzen und so jegliche revolutionären Gesten oder Möglichkeiten auszuschließen.“ In diesem Sinne werden wir uns im Seminar mit künstlerischen und theoretischen Perspektiven beschäftigen, die versuchen, das, was im Gespräch zur Sprache kommt – und eben nicht –, zu artikulieren. Welche hegemonialen, kolonialen und patriarchalen Bedingungen gibt es für die Rede im Allgemeinen und im Gespräch im Besonderen und wie lassen sie sich auch jenseits der Sprache bestimmen? Neben der Lektüre von Autor:innen wie Gayatri Chakravorty Spivak und Pierre Bourdieu werden wir uns mit künstlerischen Interventionen von u. a. Adrian Piper und Andrea Fraser beschäftigen.