Film 68. Der Umsturz

Videovortrag von Gerd Roscher (Hamburg)
9. Mai 2009

Der Hamburger Filmemacher und Filmwissenschaftler Gerd Roscher stellt im Rahmen seines Videovortrags zum Thema »Film 68« den Film »Oskar Langenfeld« (1966) von Holger Meins sowie Ausschnitte aus »Zeitgeist« (1968) des niederländischen Dokumentarfilmers Johan van der Keuken vor.

»Oskar Langenfeld« (1966) ist Holger Meins erster Kurzfilm, der vor dem legendären und bis heute verschollenen Film über die Herstellung eines Molotow-Cocktails entstand. Der Bruch zwischen militanter Agitation und einfühlsamer, still anklagender Beobachtung könnte nicht radikaler sein. In »Oskar Langenfeld 12x« begleitet Meins den Stadtstreicher Oskar Langenfeld bei seinen alltäglichen Überlebensstrategien auf der Straße sowie in seinem Kreuzberger Männerwohnheim. In einem nüchternen Dokumentarstil gehalten, ist »Oskar Langenfeld 12x« ein noch immer eindrucksvoller Porträtfilm. Gerd Conradts Film über Holger Meins entstand nach dem Tod des RAF-Mitglieds. Conradt gestaltet eine persönliche Sicht auf den Freund und ehemaligen Kommilitonen.

Dem Zeitgeist auf der Spur, in essayistischer Form, ist Johan van der Keuken in seinem gleichnamigen Film »De Tijdgeest« (1968). Es handelt sich um einen Film, der sich von strengen filmischen Formen befreit, um Neues auszuprobieren, nicht unähnlich seinen Protagonisten, Drop-Outs, deren Kreativität im Mittelpunkt steht. Ein Film, der von filmischem und gesellschaftlichem Umbruch zeugt, mit einer Kombination aus Demonstrationsszenen, wild geschminkten Männergesichtern, Performances, Fernsehbildern, viel Musik und formalen Kapriolen. »Ist es möglich, einer existierenden Gesellschaft den Rücken zuzudrehen und eine Parallelgesellschaft zu errichten oder läuft der Weg zur Veränderung über den politischen Kampf innerhalb der Gesellschaft?« (J. van der Keuken)

Gerd Roscher ist Dokumentarfilmer und Filmwissenschaftler aus Hamburg. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie in München und Frankfurt erhielt er 1972 eine Professur für Dokumentarfilm und Video an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. In den 1970er Jahren beschäftigte er sich schwerpunktmäßig mit dem Genre »Zielgruppenfilm« und dem – damals – »Neuen Medium« Video, speziell dessen Bedeutung für Medienzentren und Videozeitschriften. Daraus entstand zu Beginn der 1980er Jahre eine Auseinandersetzung mit Videokunst, Experimentalfilmen und mit der Debatte um den essayistischen Film. In den 1990er Jahren kam der Forschungsbereich der visuellen Anthropologie hinzu. Seit seiner Emeritierung 2008 arbeitet er an einem Dokumentationsprojekt über den Afrikaforscher Albrecht Roscher.

Der Videovortrag findet statt im Rahmen des Projektseminars »Ausnahmezustand! Revolutionäre Positionen in Kunst(theorie), Film und Theater«.