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Mit Martin Krenn und Oliver Ressler (Wien)
Ein Projekt zu Grenze, Migration und Fluchthilfe
Eröffnung: Donnerstag, 26. April 2001
Ausstellung 26.4.2001 - 21.7.2001
Ansicht der Einladung
zur Ausstellung
Projektgruppe Lüneburg
Tina Dust, Uta Gielke, Maja Grafe, Nina Heinlein, Patricia Holder, Mara
Horstmann, Sarah Kaeberich, Nina Koch, Susanne Neubronner, Astrid Robbers,
Stig Oeveraas, Sabine Zaeske
Das Projekt "Dienstleistung: Fluchthilfe" wurde in Zusammenarbeit
mit dem Kunstraum der Universität Lüneburg im Zusammenhang mit
dem Projekt "Agenda 21 Universität Lüneburg"
realisiert und durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück,
gefördert.
http://www.t0.or.at/fluchthilfe
Im westdeutschen Frontstaat des Kalten Krieges galt die "Flucht aus
dem kommunistischen Machtbereich" als politische Abstimmung mit den
Füßen. Flucht aus dem Osten war politischer Legitimationsgewinn
und zugleich Arbeitskräftezuwachs im Lande des "Wirtschaftswunders".
Begriffe wie "Flüchtling" und "Fluchthilfe" waren
demgemäß eher positiv besetzt. Flucht wird heute in Deutschland
vielfach in anderer Weise wahrgenommen. Neben das Schreckbild des Asylsuchenden
sind in den 90er Jahren die neuen Feindbilder des "Illegalen"
bzw. des "Schleusers" und "Schleppers" getreten. Auch
in diesem Fall gilt die von Howard S. Becker formulierte Grundeinsicht
der Devianztheorie: "Abweichendes Verhalten wird von der Gesellschaft
geschaffen. ... Gesellschaftliche Gruppen schaffen abweichendes Verhalten
dadurch, dass sie Regeln aufstellen, deren Verletzung abweichendes Verhalten
konstituiert und dass sie diese Regeln auf bestimmte Menschen anwenden,
die sie zu Außenseitern stempeln." Die Zuschreibungen von Abweichung
haben u. a. die Funktion, Normalität zu definieren bzw. gemeinschaftsstiftende
Rituale zu initiieren, die das nationale Kollektiv integrieren.
Gerade in den privilegiertesten Ländern, welche nicht müde werden,
die Erhöhung der Bewegungsfreiheit von Kapital und Informationen
unter dem Schlagwort der "Globalisierung" zu propagieren, herrscht
eine ausgesprochen protektionistische Mentalität, was die Freizügigkeit
der Menschen betrifft. Die EU hat sich angesichts ihrer Abschottung nach
außen das Image einer "Festung Europa" verschafft. Kaum
5% der weltweit erfaßten Flüchtlinge und Vertriebenen versuchen
ihr Glück als Asylbewerber in Europa und Nordamerika. Nur 0.2% von
ihnen gelingt es, sich dort niederzulassen - wobei von diesen wenigen
wiederum 95% in Nordamerika und lediglich 5% in Europa landen.(1)
Nichtsdestoweniger ist das Verständnis für Flucht und Migration
gemäß den in dieser Woche veröffentlichten Ergebnissen
der EUROBAROMETER-Befragungen vom Mai 2000 außerordentlich gering.
So akzeptiert lediglich ein Viertel der Bevölkerung der EU Asylsuchende,
die "unter Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land zu leiden haben"
(25%) bzw. Flüchtlinge aus "Ländern mit schwerwiegendem
internen Konflikt" (28%). Deutschland zählt ungeachtet seiner
eigenen Migrationsgeschichte mittlerweile zu den europäischen Ländern
mit der niedrigsten Toleranz gegenüber Asylsuchenden und Flüchtlingen
(17% bzw. 19%), während Österreich im Mittelfeld liegt (28%
bzw. 27%) und manche skandinavische Länder wie etwa Schweden eine
ungleich tolerantere Haltung zeigen (42% bzw. 47%).(2)
Die Problematik von Migration und Flucht wird sich im 21. Jahrhundert
dramatisch verschärfen. Der Treibhauseffekt schreitet so gut wie
ungebremst voran. Als einer seiner "externen Effekte" ist zu
erwarten, daß er in den nächsten 50 Jahren bis zu einer Milliarde
Menschen zu Flucht und unfreiwilliger Wanderung zwingen wird.(3) Fragen
der Wanderung müssen deshalb in Zusammenhang mit allen Überlegungen,
die sich auf eine "zukunftsfähige Entwicklung" beziehen,
einen größeren Stellenwert einnehmen, als dies etwa noch in
der in Rio im Jahre 1992 verabschiedeten "Agenda 21" der Fall
ist.
Vor diesem Hintergrund hat der Kunstraum der Universität Lüneburg
die Wiener Künstler Martin Krenn und Oliver Ressler eingeladen, ein
Projekt zu entwickeln, das Fragen von Migration und Flucht thematisiert.
Krenn und Ressler haben daraufhin im Rahmen eines Seminars gemeinsam mit
einer Gruppe von Studierenden der Kulturwissenschaften im WS 2000/01 eine
Ausstellung konzipiert, für die sie in Anspielung auf den im Kunstdiskurs
des letzten Jahrzehnts populären Begriff der "Dienstleistung"
den Titel "Dienstleistung Fluchthilfe" gewählt haben. In
diese Ausstellung fließen auf Interviews bzw. Beobachtungen gestützte
und in Videos dokumentierte Recherchen ein, die u. a. an den südlichen
und östlichen EU-Außengrenzen - im Raum Frankfurt / Oder und
an der österreichisch-slowenischen Grenze südlich von Graz -
sowie in Wien, Hamburg und Lüneburg durchgeführt werden. Eine
Wandinstallation setzt sich kritisch mit gängigen Repräsentationsmustern
von Migration und Fluchthilfe auseinander und dokumentiert die Arbeit
von Gruppen, die sich im Kampf gegen Rassismus und Xenophobie engagieren.
1) Philippe Rekacewicz (2001). Der Süden trägt die Last der
Flüchtlinge. Le Monde diplomatique, April 2001, S. 12-13.
2) Eva Thalhammer u. a. (2001), Attitudes towards minority groups in the
European Union. A special analysis of the Eurobarometer 2000 survey on
behalf of the European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia. Vienna,
S. 34-36.
3) Vgl. Alain Lipietz (2000), Die große Transformation des 21. Jahrhunderts.
Münster.
Weitere Projekte mit Oliver Ressler
Alternative Economics, Alternative Societies
Webseite von Oliver Ressler
www.ressler.at
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