Planetary Consciousness
7. Juni bis 6. Juli 2008
Internationale Gruppenausstellung im Rahmen des Projekts translate
mit Arbeiten von Christine Meisner, Mathias Poledna, Lisl Ponger, José Alejandro Restrepo
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Die Ausstellung behandelt Geschichten und zeitgenössische Manifestationen einer kollektiven Imagination, die durch die Opposition von Zentrum und Peripherie strukturiert ist und unter dem Namen “Eurozentrismus” subsumiert werden kann. Der Titel der Ausstellung ist einem Buch der Literaturwissenschaftlerin Mary Louise Pratt entliehen (Imperial Eyes: Travel Writing and Transculturation, 1992), in dem sie die Produktion eines europäischen “planetary consciousness” anhand der Reise–, Beschreibungs– und Sammlungstätigkeiten seit dem 18. Jahrhundert nachzeichnet. Die Etablierung der systematischen Naturwissenschaften seit dem 18. Jahrhundert und die zeitgleichen Großunternehmungen europäischer Expeditionen begründeten mit der Abenteuer– und Reiseliteratur ein Bewusstsein der europäischen Zentralität, vor deren Blick sich der Rest der Welt als immenses Spektakel wie auch als ein durch Klassifikation zu ordnendes Chaos darbot. Neben den harten Techniken der ökonomischen Ausbeutung und politischen Kontrolle überseeischer Gebiete hatten die “weichen” literarischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Techniken der Vermessung der Welt, der Ordnung der Dinge und der Repräsentation von Differenz Anteil an der Konsolidierung kolonialer Herrschaftsformen, die um 1900 ihren Höhepunkt erreichten. Die Niederschläge des eurozentrischen Weltbildes in den Bewusstseins– und Gefühlsstrukturen des Einzelnen überdauern die Ära des Kolonialismus, während sie seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zugleich einer postkolonialen Kritik ausgesetzt sind. Die Ausstellung fragt nach dem gegenwärtigen Status des planetarischen Bewusstseins am Beispiel von künstlerischen Arbeiten, die sich mit der Genese des europäischen Weltbildes in genreübergreifenden Inszenierungen des Zentrum–Peripherie–Modells vor dem Hintergrund (post–)kolonialer Dispositive beschäftigen. Betrachtet man dieses Weltbild als ein mythisches Wissen, so scheinen gerade künstlerische Verfahren geeignet, oft diffuse und begrifflich schwer fassbare Gefühlsstrukturen von Zentralität und planetarischem Bewusstsein zu evozieren und im Sinn von Barthes’ Beschreibung mythischen Wissens als “formloser, unstabiler, nebulöser Kondensation” kenntlich zu machen.
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Christine Meisner folgt in The Present den Spuren und Stationen von Joseph Conrads Roman Herz der Finsternis in Belgien, Kongo und Polen, um der historischen Reiseerzählung eine aktuelle Perspektive zu verleihen. Die Arbeit widmet sich einer kontrapunktischen Betrachtung der geteilten, aber unterschiedlich erfahrenen und institutionalisierten Geschichte Europas und Afrikas. Hatten Autoren wie Conrad die kollektive Vorstellung der Europäer vom kolonialen Raum bis weit ins 20. Jahrhundert hinein geprägt, so war es im 19. Jahrhundert Alexander von Humboldt, der das planetarische Bewusstsein Europas und insbesondere das Bild der “Neuen Welt” geformt hatte.
José Alejandro Restrepo bezieht sich in El cocodrilo de Humboldt no es el cocodrilo de Hegel auf eine Meinungsverschiedenheit zwischen Hegel und Humboldt, die als paradigmatisch für innereuropäische Differenzen in der Betrachtung der außereuropäischen Welt gelesen werden kann und aus den Zugängen verschiedener Wissensdisziplinen resultiert.
Lisl Ponger benennt in Wild Places eine Genealogie von Genres der imperialistischen Aktion/Repräsentation im Bezug auf das kolonisierte Andere, in der auch der/die KünstlerIn eine Rolle spielt. Mit En Couleur, das eines der bekanntesten Fotos von Man Ray neu inszeniert, spielt Ponger auf eine frühe Phase der künstlerischen Kritik an den kolonial–rassistischen Weltbildern der europäischen Moderne an, die jedoch exotistischen Projektionen verhaftet blieb. Pongers Die Beute verdichtet die unzähligen Referenzen des planetarischen Bewusstseins zu einem Bild der (post) modernen Psychopathologie des kultivierten Eurozentrismus.
Mathias Poledna adressiert den westlichen Archivierungsdrang an einem Beispiel, das nicht von vorn herein als Produkt kolonial–imperialistischer Geisteshaltung verstanden werden muss. Seine Vitrinen präsentieren Schallplatten – “Music of Southeast Asia”, “Anthology of Central & South American Indian Music”, “Voices of the Satellites”… – die aus einem Projekt von Folkways Records (1948–1986) mit dem Ziel einer Enzyklopädie der “gesamten Welt der Töne” stammen. Die Platten erscheinen hier musealisiert als Dokumente einer westlichen Moderne, deren Selbstgefühl aus der Idee einer vollständigen Vergegenwärtigung und Aufbewahrung des Anderen gespeist wurde.
kuratiert von Christian Kravagna in Zusammenarbeit mit dem Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg
Dieses Projekt wurde im Rahmen von translate.eipcp.net und mit Mitteln des EU-Kultur 2000 Programms der Europäischen Union durchgeführt.