Interarchiv

Juli bis August 1999

Ein Projekt mit Hans Peter Feldmann und Hans Ulrich Obrist

Ausgangspunkt

Das Archiv spielt eine wichtige Rolle in den zeitgenössischen Diskursen der Kunst, der Museologie, der Kulturwissenschaften und der Philosophie. Charakteristisch für den spezifischen Ansatz des Kunstraums der Universität Lüneburg ist die interdisziplinäre Kooperation zwischen Kunst und verschiedenen universitären Disziplinen. Im Zentrum des Projekts stehen Teile des fragmentarischen, nicht abgeschlossenen Archivs von H. U. Obrist das an der Universität Lüneburg gelagert wird und aus ca. 1 000 Boxen besteht. Es umfaßt derzeit neben internationalen Ausstellungskatalogen, Bänden zur zeitgenössischen Kunst- und Kulturtheorie, Zeitschriftenartikeln und Pressetexten auch umfangreiche Briefwechsel.

Projektverlauf

Das Archiv wird von einer studentischen Arbeitsgruppe und Lehrenden in Kooperation mit H.-P. Feldmann und H. U. Obrist bearbeitet. Aufgrund der Offenheit und Flexibilität im Umgang mit gesammelten Materialien und angesichts ihrer Ausrichtung auf Strukturen der Sinnkonstruktion in Bildarchiven stellt die Arbeitsweise von H.-P Feldmann eine geeignete Grundlage für eine interdisziplinäre, künstlerisch-wissenschaftliche Untersuchung der Funktionen kultureller Archive dar, wobei diese nicht retrospektiv, sondern in einer zukunftsorientierten Perspektive thematisiert werden sollen.
Die Bestandsaufnahme des Archiv-Materials stützt sich dabei auf verschiedene Medien und ungewöhnliche Verfahrensweisen, um den Vorrang des Visuellen aufzubrechen. Das Grundprinzip besteht darin, die spezifischen Charakteristika des Archivs, die persönliche Anbindung etwa oder das idiosynkratrische Ordnungssystem, zu erhalten, das Archiv aber zugleich nach und nach einem erweiterten Publikumskreis als eine offene Form des Wissens und der Vernetzung zugänglich zu machen. Das Projekt wird seit mehreren Semestern durch Seminare und Vortragsveranstaltungen mit professionellen Vertretern des künstlerischen Feldes vertieft.

Präsentation

Die Ergebnisse der Projektarbeit werden für eine Ausstellung aufbereitet. Die Präsentation soll eine offene, vielseitige Annäherung an das Material ermöglichen, um damit zugleich auf die unterschiedlichen Positionen und Handlungsmöglichkeiten, die sich im Umgang mit dem Archiv ergeben können, zu verweisen. In Abgrenzung von der umgangssprachlichen Konnotation des Begriffs »Archiv« im Sinne einer Ablage und Verwaltung historischer Materialien soll dessen aktuelle Relevanz im Vordergrund stehen, was eine prozeßhafte Veränderbarkeit und verschiedene Formen von Partizipation und sozialem Gebrauch voraussetzt. Ziel ist auch, Verbindungen zu neu begonnenen oder nicht abgeschlossenen Archiven weltweit auszubauen. Dieses wird über das Internet sowie über Interviews, Bücher und Zeitschriften usw. geschehen. Bezüge wurden bereits u.a. zum Archiv von R. Fleck und zum lnformationsdienst von U. M. Bauer hergestellt; zahlreiche weitere Links werden im Verlauf des Projekts hinzukommen. Angestrebt ist eine Vervielfachung von Stimmen: Jedes Archiv ist ein Raum, der von unzähligen anderen Räumen umgeben ist, die es wert sind, erforscht zu werden.

Eine erste Präsentation findet am 15.Juli 1999 in der Universität Lüneburg statt. In Zusammenarbeit mit D. Birnbaum, dem Leiter des schwedischen Instituts für Auslandsbeziehungen IASPIS, wird das INTERARCHIV voraussichtlich in Stockholm in dem mit Ateliers ausgestatteten Ausstellungs- und Veranstaltungshaus von IASPIS gezeigt. In diesem Zusammenhang ist eine Veranstaltungsreihe zum zeitgenössischen Umgang mit Archiven geplant. Im Anschluß soll das Forschungsprojekt an weiteren Orten, für die die Auseinandersetzung mit Archiven besondere Bedeutung besitzt, fortsetzt und der Dialog mit anderen Archiven ausgebaut werden. Zu einem späteren Zeitpunkt ist außerdem eine Buchpublikation sowie eine Fassung für das Internet vorgesehen.

Publikation: Beatrice von Bismarck, Hans-Peter Feldmann, Hans-Ulrich Obrist, Diethelm Stoller, Ulf Wuggenig (Hg.): interarchive. Archivarische Praktiken und Handlungsräume im zeitgenössischen Kunstfeld. Lüneburg/ Köln 2002.

Team: Koo Jeong A, B. v. Bismarck, B. Brandes, T. Clauszen, S. Eichele, H.-P. Feldmann, A. Heusermann, T. Kaiser, J. Lackner, G. Märkel, H. U. Obrist, K. Prätorius, N. Schwaderer, D. Stoller, J. K. Wiemann, U. Wuggenig, H. Zollondz

Das Projekt wird gefördert durch die Michael & Susanne Liebelt Stiftung.