Trockel | Rorschach: Experiments in the Interpretation of Form
Vortrag von Brigid Doherty, Princeton University
21. November 2019
Im Jahr 1921 veröffentlichte Hermann Rorschach (1884–1922) seine Studie Psychodiagnostik. Methodik und Ergebnisse eines Wahrnehmungsdiagnostischen Experimentes (Deutenlassen von Zufallsformen). Siebzig Jahre später stellte die Künstlerin Rosemarie Trockel (*1952) eine Gruppe von fünf unbetitelten Wollbildern aus, deren 250 cm x 160 cm große, marineblau und grau gefärbten Oberflächen – nach Trockels Angaben maschinell in einer Werkstätte in Italien gefertigt, dann in Köln über eine Leinwandfläche aufgespannt – auf unterschiedliche Art und Weise auf die zehn Tafeln aus Rorschachs Versuchen mit der Interpretation so genannter „Zufallsformen“ anspielten. Trockels Werke beziehen sich auch auf eine Reihe sehr großformatiger Gemälde von Andy Warhol, deren Ausgangspunkt Warhols Wissen und behauptetes Nichtwissen über den „Rorschach-Test“ als einen Persönlichkeitstest bildete, der seit Mitte der 1940er Jahre in den Vereinigten Staaten in der Populärkultur eine starke Rezeption erfuhr. Trockels Rorschach-Bilder können beispielhaft für die Tiefe und Komplexität stehen, mit denen sich die Künstlerin mit der Moderne und ihren Nachwirkungen in bildender Kunst, Literatur und Film sowie mit zentralen Fragestellungen der deutschen Philosophie, Psychologie und Psychoanalyse auseinandergesetzt hat.
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Brigid Doherty ist außerordentliche Professorin am Department of German und am Department of Art & Archaeology an der Princeton University, wo sie auch Mitglied der Associated Faculty der School of Architecture, des Executive Committee for European Cultural Studies, des Programms „Media + Modernity“ sowie Mitglied des Council on International Teaching and Research ist. Von 2012 bis 2019 war sie Direktorin des Princeton’s Program in European Cultural Studies. 2019 erhielt sie den President’s Award for Distinguished Teaching, die höchste in Princeton verliehene Auszeichnung für Lehre und Betreuung von Studierenden und Doktoranden. Brigid Doherty promovierte 1996 am Department of History of Art an der University of California, Berkeley, und schloss ihr Bachelorstudium (A.B.) 1987 an der Stanford University in den Bereichen „Modern Thought and Literature“ und „Studio Art“ mit Auszeichnung ab. 1986 war sie Gaststudentin für Malerei an der Hochschule der Künste Berlin (heute Universität der Künste Berlin). Von 1996 bis 2003 war sie Assistentin und dann außerordentliche Professorin am Department of the History of Art and the Humanities Center der Johns Hopkins University.
Ihre Forschung und Lehre befasst sich mit interdisziplinären Fragestellungen zur Kunst und Literatur des 20. Jahrhunderts, mit besonderem Fokus auf die Geschichte der deutschen Moderne und den Beziehungen zwischen bildender Kunst, Literatur und ästhetischen und psychoanalytischen Theorien. Ihre kunsthistorische Forschung umfasst zahlreiche Publikationen und übersetzungen zum Studium der deutschen Dada- und Avantgardekunst der 1920er Jahre sowie Artikel und Katalogbeiträge zur zeitgenössischen Kunst, insbesondere zum Werk von Hanne Darboven und Rosemarie Trockel. Zu ihren Veröffentlichungen über deutsche Literatur und Kritische Theorie zählen Artikel über Rainer Maria Rilke, Bertolt Brecht und Walter Benjamin. Sie ist Mitherausgeberin eines Bandes mit Schriften von Walter Benjamin, The Work of Art in the Age of Its Technological Reproducibility and Other Writings on Media (Harvard University Press, 2008).
Im Jahr 2005 hatte sie die erste Research Forum Visiting Professorship in Modern and Contemporary Art am Courtauld Institute of Art in London inne. In den Jahren 2006-07 war sie David und Roberta Logie Fellow am Radcliffe Institute der Harvard University und Affiliate Scholar der Boston Psychoanalytic Society and Institute. In den Jahren 2011 und 2015 war sie Fellow am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin. Derzeit ist sie Gastwissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Im Jahr 2020 war sie Holly Fellow am Clark Art Institute in Williamstown, Massachusetts.
Der Vortrag wird in englischer Sprache stattfinden.