Post-X Politics
Workshop, Diskussionen und Buchvorstellung
21. bis 23. November 2017
Dieser Workshop ist eine Folgeveranstaltung zu einem Workshop über Medienökologien, der im November 2016 an der Concordia University stattfand und vom Global Emergent Media Lab und einer Lesegruppe zu Lesungen rund um Medien in Japan organisiert wurde. Indem wir diese einzigartige Form eines Lesegruppenseminars nach Lüneburg bringen, wollen wir das Netzwerk von Wissenschaftlern und entsprechenden Institutionen erweitern, nämlich das GEM Lab, das Centre for Digital Cultures (CDC) und das Graduiertenkolleg “Kulturen der Kritik” - die letzten beiden sind in Lüneburg ansässig. Wir finden, dass dies eine großartige Konstellation und ein guter Ort ist, um aktuelle Vermischungen von kritischer Medien- und politischer Theorie zu untersuchen und die Frage zu stellen, welche Art von Politik wir in einer Zeit verkünden wollen, in der lautstarke konservative und liberal-progressive Kritiker innerhalb der Geisteswissenschaften Studien zu Rasse, Klasse, Geschlecht und Sexualität für passé erklärt haben.
Die gegenwärtigen Diskussionen über “post-wahrheitliche Politik” und “alternative Fakten” deuten auf einen Bruch in den öffentlichen Debatten hin. Obwohl die modernen Massenmedien (Presse, Radio, Fernsehen) schon immer im Verdacht standen, die Öffentlichkeit zu manipulieren, wurde ihre Stellung als allgemeiner Bezugsrahmen - den die Öffentlichkeit bejahen, stillschweigend akzeptieren oder offen anfechten konnte - in westlichen Demokratien kaum in Frage gestellt. Die digitalen Medien und ihre vernetzten Öffentlichkeiten haben diese Situation grundlegend verändert. Heute deutet das Scheitern der Konstituierung einer Öffentlichkeit auf einen “Verfall der symbolischen Effizienz” hin, d.h. auf den Zusammenbruch eines gemeinsamen Bezugsrahmens. Mit dem Internet haben sich Teilöffentlichkeiten herausgebildet, die für den Übergang von den Massenmedien zu den sozialen Medien charakteristisch sind. Wir können daher eine wachsende Spannung zwischen der Idee einer offenen und heterogenen Öffentlichkeit und homophilen Tendenzen von “Filterblasen” beobachten, die durch algorithmische Technologien gefördert werden, die Menschen nach geschlossenen Interessengruppen, politischen Ansichten, klassistischen und rassistischen Kategorien, sexueller Orientierung und Geschlecht segmentieren.
Dieser Workshop interessiert sich für die Artikulation von Politik in Zeiten datengesteuerter Öffentlichkeiten, einschließlich ihrer Offline-, Lo-Tech- und piratischen Ausprägungen. Er untersucht den Status der Kritik angesichts von Mediendiskussionen, die in einer verdrehten Form von Big Data, sozialen Netzwerken und dem (Wieder-)Aufkommen des Rechtspopulismus zurückzukehren scheinen. Es zielt darauf ab, Begriffe der kritischen Geisteswissenschaften wie Klasse, Rasse und Geschlecht neu zu bewerten, um die politischen und technologischen Bedingungen der Möglichkeit für diese Echokammern und Filterblasen besser anzugehen. Darüber hinaus stellt es die aktuelle Sehnsucht nach einer neuen ontologischen Grundlage in der Kultur- und Medientheorie in Frage, die durch Diskussionen und Theorieproduktion rund um das Anthropozän, nicht-menschliches Handeln und technologische Umweltfreundlichkeit gekennzeichnet ist. Diskussionen, die scheinbar über die kritischen Geisteswissenschaften mit ihren “schmutzigen” Verstrickungen in die soziale, sexuelle, gewalttätige, politische und technologische menschliche Realität hinausgehen. Der post-x-Status vieler dieser Debatten scheint auf eine Verschiebung oder gar einen Zusammenbruch des politischen Diskurses hinzudeuten: post-facts, post-truth, post-race, post-gender, post-rights, post-democracy und zahlreiche verwandte Themen sind nicht nur symptomatisch für die technologischen Transformationen, die stattfinden, sondern auch für die ideologischen Systeme, mit denen wir die Realität konstruieren.
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21. November
18:00 “Pattern Discrimination - How to Queer Homophily?”
Diskussion mit Wendy Hui Kyong Chun, Hito Steyerl & Nishant Shah,moderiert von Clemens Apprich
20:00
Buchvorstellung “Technotopia: A Media Genealogy of Net Cultures”
22. November
10:00
Panel I unter Leitung von Joshua Neves
Yuriko Furuhata: “The Geopolitics of Cultural Techniques”
Oliver Lerone Schultz: “trans.design: existential modelings and new ends of ‘design’ – looking at collective creation of change, transformation and world resourcing”
12:30 Mittagspause
14:00
Panel II unter Leitung von Miglé Bareikyté
Maya Ganesh: »What Algorithms Know«
Oleksiy Radynski: »Feeding Truth Into Machine? Exploring the Legacies of Viktor Glushkov«
Telekommunisten: »Beyond Truth and Fable: Audience Territory and the Social Cybernetics Economy«
17:00
»Theaters of Reality - Deep Politics and Cultural Intelligence«
Lecture Performance von Konrad Becker
23. November
10:00
Panel III unter Leitung von Nelly Y. Pinkrah
Diana McCarty: »From C to X – cyberfeminism to xeno-feminism?«
Marc Steinberg: »Media Reflexivity Post-X«
Heba Y. Amin: »Techno-utopian Fantasies and Digital Nation-States: A New Visual Lexicon for Spatial Emancipation in the Middle East«
12:30 Mittagspause
14:00
Panel IV unter Leitung von Clemens Apprich
Daphne Dragona: »Face Value«
Zeerak Waseem: »Gaps in Understanding: Algorithmic Discrimination in Natural Language Processing«
Abschluss und runder Tisch mit Studierenden
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In Zusammenhang mit dem Workshop »Painted by Numbers« - A Discursive Installation on Algorithmic Regimes vom World-Information Institute.