Memory Loops
Gespräch zwischen Michaela Melián und Stefan Römer und anschließende Diskussion
13. Januar 2012
Historische Denkmäler sind zumeist an vordefinierte Orte gebundene Auftragsarbeiten, die, verstanden als symbolische Gesten, die Aufgabe der Erinnerung an oder Bewältigung von Vergangenheit an Künstler/innen delegieren. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit Denkmälern muss somit notwendigerweise Fragen der Repräsentation und der Geschichtsschreibung, aber auch das Verhältnis zum Auftraggeber, der Materialität und der daran gekoppelten Lokalität berücksichtigen.
Das Audiokunstwerk »Memory Loops« von Michaela Meliàn wurde 2008 im Rahmen eines Kunstwettbewerbs der Landeshauptstadt München konzipiert und umfasst einige hundert Tonspuren mit Polizeiprotokollen und Dienstanweisungen, aber vor allem mit Berichten von Zeitzeugen und Opfern des Nationalsozialismus, die ein örtlich losgelöstes, gleichzeitig aber eng mit der Münchener Stadttopografie verknüpftes Denkmal bilden. Das Zentrum von »Memory Loops« bildet die Webseite www.memoryloops.net, auf der die gesammelten Erinnerungszeugnisse als Tonspuren in einer von der Künstlerin gezeichneten Karte der Stadt zu finden sind. Die Collagen aus Stimme(n) und Musik verweisen thematisch auf Orte innerhalb der ehemaligen »Hauptstadt der Bewegung« und wurden im Sinne einer vergegenwärtigenden Aktualisierung von Zeitgenoss/innen der Gegenwart eingesprochen und nicht, wie im Dokumentarismus üblich, durch Stimmen von Zeitzeug/innen. Die Dokumente stehen unter www.memoryloops.net bereit und können zu individuellen Erinnerungsschleifen zusammengestellt werden.
Ausgehend von »Memory Loops« erfolgt in einem Gespräch zwischen Michaela Melián und Stefan Römer sowie einer anschließenden Diskussion ein Austausch über künstlerische Produktionsformen, die wie z.B. Online-Ausstellungen oder von Künstler/innen initiierte Forschungsgruppen und Konferenzen zu alternativen Formen des Diskurses beitragen und nicht ausschließlich an eine Objektproduktion gebunden sind. Wie im Projekt »Conceptual Paradise – Artistic Practice in the Age of the Social Web« angelegt, wird das Internet in diesem Sinn als eine erweiterte Form der Ausstellung betrachtet, das eine Alternative für die künstlerische Präsentation ermöglicht, die sich nicht auf den physischen Raum beschränkt.
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Michaela Meliàn: Kunst- und Musikstudium in München und London. In den 1980er Jahren Mitherausgeberin des Magazins »Mode und Verzweiflung«. Gründung der Band »F.S.K.« (Freiwillige Selbstkontrolle) mit Thomas Meinecke. Seit 2010 Professorin für zeitbezogene Medien an der HFBK in Hamburg. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen, u.a.: Museum für Moderne Kunst Nürnberg, 2012, Städtische Galerie Nordhorn, 2011, MediaArtLab Moskau, 2011, Kaunas Biennial, Lithuania, 2011, Kunsthaus Bregenz, 2011, ZKM Karlsruhe, 2011, Rathausgalerie München, 2010, Contemporary Museum on the Seam Jerusalem, 2010, Lentos Museum Linz, 2010, Ludlow 38, New York, 2009, ACCA Melbourne, Australien, 2009, glasmoog/KHM Köln, 2009, Ulmer Museum, 2008, Cubitt Gallery, London, 2008, MAK Wien, 2008. Jüngste Auszeichnungen: Kunstpreis der Stadt München und Hörspiel des Jahres der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste für »Memory Loops«, 2010.
www.memoryloops.net