Melanie Gilligan, Cooper Francis

Workshop
4. und 5. Juni 2016

Anstatt eine “kybernetische Hypothese” aus dem Jahr 2001 zu akzeptieren, die einen historischen Stillstand postuliert, der auf transparenten Informationsflüssen und Techniken der Bevölkerungsverwaltung beruht, wird dieser Workshop die laufenden Bemühungen untersuchen, die technische Infrastruktur eines globalen Marktes zu entwickeln, der unsere Welt immer noch prägt. Auf diese Weise wird gezeigt, dass es sich dabei um einen fragilen und unvollständigen und nicht um einen “imperialen” Prozess handelt, der sich durch die größtenteils gegensätzlichen Dynamiken zwischen Unternehmen, Nationen und den Individuen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, entfaltet. Dieser Workshop befasst sich ferner mit den Herausforderungen, die sich aus der Beschäftigung mit solchen Entwicklungen ergeben, während sie in einer Gegenwart angesiedelt sind, in der die technische Unterstützung von Gedächtnis und Kommunikation bereits überholt ist, ein Prozess, der zu dem beigetragen hat, was als “Krise der Erfahrung” (Benjamin) und als “Unfähigkeit, an der Sozialisierung der Welt teilzunehmen” (Stiegler) bezeichnet wurde. Was bedeutet es eigentlich, sich inmitten so vieler Daten zu orientieren und Möglichkeiten zu entdecken?

In diesem Workshop werden Melanie Gilligan und Cooper Francis solche Fragen untersuchen und dabei den Schwerpunkt auf die Bedeutung der Kunst (und insbesondere der Erzählung) für die historische Erfahrung legen. Neben Francis’ eigenen Forschungen zur paradigmatischen Bedeutung von Microsoft Excel und Gilligans neuer Videoarbeit “The Common Sense” werden in diesem Workshop Texte von Bernard Stiegler und Gilbert Simondon zur technischen Anthropologie sowie von Peter Osborne und N. Catherine Hayles zu den Herausforderungen der Konstruktion einer zeitgenössischen Erfahrung von Geschichte diskutiert.

Melanie Gilligan ist eine in New York und London lebende Künstlerin und Autorin. “The Common Sense” (2014/15), Gilligans jüngste episodische Videoarbeit, ist ein dreiteiliges Projekt, das in verschiedenen Institutionen präsentiert wurde und bereits im de Appel Arts Center, Amsterdam, im Casco Office for Art, Design and Theory in Utrecht und in De Hallen Haarlem zu sehen war. Frühere Einzelausstellungen fanden unter anderem in der Chisenhale Gallery in London, im Kölnischen Kunstverein, im Banff Centre und in der Galerie Max Mayer in Düsseldorf statt. Gilligans kritische Texte über Kunst, Politik und Wirtschaft sind in Publikationen wie “The Market” (Whitechapel, 2013) und “Intangible Economies” (Fillip, 2012) sowie in Zeitschriften und Magazinen wie Grey Room, Artforum, Texte zur Kunst und Mute erschienen.

Cooper Francis ist Schriftsteller, Übersetzer und Softwareentwickler, der sein Postgraduiertenstudium am Londoner Center for Research in Modern European Philosophy absolviert hat und dessen Arbeit sich auf die Beziehung zwischen Geschichtsphilosophie, Technologie und Kunst konzentriert. Seine jüngste Forschungsarbeit, das Ergebnis einer mehrjährigen Tätigkeit als Dateningenieur für US-amerikanische Start-ups, befasst sich mit dem Verständnis der technischen Konfiguration der heutigen Welt und ihrer philosophischen sowie anthropologischen Bedeutung. Die Zwischenergebnisse dieses Projekts hat er an den Universitäten Harvard, Kent, Nijmegan und Notre Dame sowie in Kultureinrichtungen wie dem MaMa in Zagreb vorgestellt. Coopers Arbeiten sind in IEEE-Fachzeitschriften sowie in Publikationen wie “The St. Petersburg Paradox” (Swiss Institute/Karma, 2016) erschienen. Seine Übersetzung von Giorgio Agambens Buch “Taste” erscheint demnächst bei Seagull Press.