Im Magen der Raubtiere. Zur Monopolisierung von Saatgut und ihrer methodologischen Darstellung
Vortrag von Andreas Siekmann
20. Januar 2015
Der in Berlin lebende Künstler Andreas Siekmann setzt sich in seinen langfristig angelegten Arbeiten mit der Privatisierung des öffentlichen Eigentums und der Restrukturierung von Arbeitsverhältnissen unter den Bedingungen der Globalisierung auseinander. So auch in »Im Magen der Raubtiere«, einer Installation von 2014, die sich mit der Monopolisierung von Saatgut befasst und die in Zusammenarbeit mit Alice Creischer entstanden ist.
Dabei nimmt die Erzählung ihren Ausgangspunkt bei Karl Marx: 1842 saß der junge Karl Marx als Beobachter im Rheinischen Landtag, als über eine Verschärfung des Gesetzes über den Holzdiebstahl debattierte wurde. Wälder waren zwar öffentlich zugänglich, aber sie gehörten jemandem, und wenn die Armen dort trockene Äste und Zweige sammelten, so stellte dies nach Meinung der meisten Parlamentarier eine Straftat dar. Marx reflektierte darüber, wie die kapitalistische Produktionsweise schon immer zuallererst eine Grenzziehung war zwischen denen, die Gesetze machten und denen, die diese zu befolgen hatten. Dabei waren die ersten Grenzen ganz wörtlich zu verstehen: Gebiete wurden abgesteckt, andere Länder, ja ganze Kontinente unterworfen und aufgeteilt. Bodenschätze, der Reichtum der Natur und die Menschen, die dort lebten, wurden Gegenstand privatwirtschaftlichen Interesses und Handels. Diese Geschichte der Landnahme endet in einem ganz realen Sinne mit der Einverleibung dieser Güter und am Ende begegnet die Natur sich selbst, im Magen der Raubtiere.
»In the Stomach of the Predators« zeigt auf großformatigen Tafeln die heutige Situation dieser unverändert fortschreitenden Entwicklungen und erzählt von den Verwerfungen, die staatliche und privatwirtschaftliche Unternehmungen im Umgang mit dem gemeinschaftlichen Gut der Natur hervorrufen. Dabei bildet ein von Regierungen und Agrarkonzernen errichteter Saatgutspeicher im ewigen Eis Spitzbergens – der Svalbard Global Seed Vault – nur einen Knotenpunkt eines globalen Geflechts, dessen Bahnen in einem unaufhörlichen Aderlass Wissen, genetische Informationen und die Früchte jahrhundertelanger Erfahrung aus dem Globalen Süden in die Industriestaaten pumpen. In umgekehrter Richtung fließt das genmanipulierte Saatgut, mit dem die lokale Bevölkerung an die Produkte der Agrarindustrie gebunden wird.
In seinem Vortrag spricht Andreas Siekmann anhand der in »In the Stomach of the Predators« gezeigten Arbeiten über diese Monopolisierung von Saatgut unter Berücksichtung der Frage, ob ein solches globales Netz transnational agierender Konzerne und die Folgen für Bauern, lokale Bevölkerungen, Ökonomien und Ökologien in einer künstlerischen Arbeit überhaupt darstellbar ist.
[Dieser Text ist eine leicht modifizierte Fassung der Austellungsankündigung der Galerie Barbara Weiss, Berlin, Februar 2014]