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Werkstattgespräch im Zuge des Projekts “Die Teilung der Erde”
28. Juni 2007

Ute Klissenbauer und Dierk Schmidt diskutieren mit Ulrich Lölke spezifische Herausforderungen für ihre Projekte UFO UNO und “Die Teilung der Erde” an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Kunst und Politik.

Ute Klissenbauer (freie Kuratorin, Frankfurt am Main) spricht über die Entstehung und Perspektive eines Kunst–/Forschungsprojekts zum Themenkomplex Vereinte Nationen (https://www.ufo-uno.org).
Im November 2006 fand das Tagungsprojekt “UFO UNO – Vereinte Nationen, Öffentlichkeit und Kunst” als Gastprojekt am Frankfurter Kunstverein statt. Vorgestellt wurde ein interdisziplinäres Projekt zur UNO, das Politik, Wissenschaft und Kunst neu zu verzahnen versuchte. Die Sphären der politischen Praxis, der Theorie und der Ästhetik trafen aufeinander, um sich im Hinblick auf den gemeinsamen Gegenstand UNO gegenseitig zu informieren und herauszufordern. Die Tagung gliederte sich in drei ineinander greifende Teile, in denen es in einem umfassenden und noch recht abstrakten Ansatz um die Repräsentation der UNO als globale institutionelle, gesellschaftliche und ästhetische Repräsentation ging. Einen experimentellen Charakter hatte das Tagungsprojekt auch deshalb, weil künstlerische Tagungsbeiträge das diskursive Programm von Politikwissenschaftlern, Völkerrechtlern und Kultur– und Medientheoretikern ergänzten. Der Kurzvortrag wird Ergebnisse dieser Tagung vorstellen und einen Ausblick auf das Projekt als ein Forum für die öffentliche Vermittlung wissenschaftlicher und künstlerischer Forschung zu den Vereinten Nationen geben.

Der Künstler Dierk Schmidt (Berlin) entwickelt seit Anfang 2006 in Kooperation mit dem Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg das Projekt “‘Die Teilung der Erde’ – Tableaux zu juristischen Synopsen der Berliner Afrika-Konferenz”. Der Titel rekurriert auf einen Zeitungsartikel zur Berliner Afrika-Konferenz von 1884/85, die zur forcierten Kolonialisierung Afrikas führte. Gleichzeitig werden gegenwärtige Entwicklungen ins Blickfeld gerückt: 2001 forderten die Ovaherero (heutiges Namibia) von der Bundesrepublik Deutschland Entschädigung für den genozidalen Vernichtungskrieg von 1904.
“Nach Jahren der Erforschung heutiger Möglichkeiten der Gattung des Historienbildes sowie der politischen Traditionslinien moderner Malerei hat sich Dierk Schmidt zuletzt mit der Rolle des Deutschen Reichs in der Geschichte des Kolonialismus beschäftigt. Bei der Afrika-Konferenz, die 1884–85 in Berlin stattfand, einigten sich vierzehn Teilnehmerstaaten auf den so genannten ‘Acte général’. Dieser verbat kontinentalen Sklavenhandel, führte jedoch auch zum Kampf um politische und ökonomische Einflusssphären, bei dem es Bismarck gelang, dem Deutschen Reich eine gleichberechtigte Rolle unter den damaligen Kolonialstaaten zu sichern. Die Konferenz gab entscheidende Impulse für eine Kolonisierung, die sich bis 1902 auf 90 Prozent des afrikanischen Kontinents ausdehnte.
In der Presse fanden sich damals zwar Illustrationen des Ereignisses, doch ist es nach wie vor kaum möglich, sich eine angemessene Vorstellung von den Details des historischen Kolonisierungsprozesses zu machen. An dieser Stelle setzt Dierk Schmidts kritisches Konzept des Historienbildes an, um politisch–historisches Potential und aktuelle völkerrechtliche Implikationen zu prüfen: In der Serie, deren aktueller Stand hier [auf der documenta 12] gezeigt wird, nähert sich Schmidt dem historischen Komplex mit der Entwicklung von Bildsemiotiken, die ihre Quellen sowohl in den Traditionen der schematisch–statistischen Darstellung wie auch der (abstrakten) Malerei der Moderne haben. Damit – und mit der konflikthaften Begegnung künstlerischer und juridischer Sprachformen – artikuliert er auch eine grundlegende Unversöhnbarkeit. Denn bei seinem Ansatz kann es nicht um die Auflösung, sondern nur um die Darstellung eines historischen Problems der Nichtdarstellbarkeit gehen. Erst daran kann sich dieser zunächst ‘nur’ ästhetische Zugang auch als Brücke zu heutigen postkolonialen Debatten um Entschädigungszahlungen erweisen.” (Clemens Krümmel, Katalog documenta XII)

Dr. Ulrich Lölke (Hamburg) studierte in Berlin, Frankfurt a. M., Hamburg und New Jersey (USA) Philosophie, Kunstgeschichte, Theologie und Freie Kunst. 1999 promovierte er an der Universität Düsseldorf mit einer Arbeit über die Philosophie im postkolonialen Afrika. Seither war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Philosophie und Kulturtheorie an den Universitäten Hannover und Lüneburg tätig. 1996 arbeitete er als Gastwissenschaftler an der University of Ghana in Legon. Sein Forschungsschwerpunkt sind die Transformationsprozesse der Wissenssysteme im kolonialen und postkolonialen Afrika.