Erster Kongress der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft. Ansichten der künftigen Kulturwissenschaft/en
Keynotes von Sigrid Weigel (Berlin), Andreas Reckwitz (Frankfurt/Oder), Heidrun Friese (Chemnitz) und Orit Halpern (Montréal)
12. bis 14. November 2015
Keynotes von Sigrid Weigel (Berlin), Andreas Reckwitz (Frankfurt/Oder), Heidrun Friese (Chemnitz) und Orit Halpern (Montréal)
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Die neuen Kulturwissenschaft/en im deutschsprachigen Raum bildeten sich seit den späten 1970er Jahren teilweise in Anknüpfung an internationale Entwicklungen heraus, wie Cultural und Visual Studies, Gender Studies, Cultural Analysis, New Historicism, New Art History und Social History of Art, oder auch Michel Foucaults Diskurs- und Pierre Bourdieus Habitusanalyse. Mitunter stützten sie sich dabei neben eigenständigen Entwicklungen auf ältere deutschsprachige Traditionen wie die von Ernst Cassirer, Georg Simmel, Aby Warburg oder Max Weber. Während im Feld der Kulturwissenschaft/en kein Mangel an programmatischen Überlegungen, noch an Studien und theoretischen Texten herrscht, blieben Vernetzung, Austausch und interpersonelle Kommunikation der im vergangenen Jahrzehnt noch sprunghaft angestiegenen Zahl von Akteuren und Institutionen eher schwach entwickelt. Die Institutionalisierung von Austausch und Diskussion unter Bedingungen relativer Autonomie stellt jedoch eine entscheidende Voraussetzung für die Fortentwicklung des Feldes dar. Mit der Gründung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft (KWG) im Januar 2015 an der Universität Koblenz-Landau, an der sich Vertreter*innen von rund 20 Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, in einem ersten Schritt, vor allem aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligten, war deshalb die Intention verbunden, den überregionalen und transnationalen Austausch der Kulturwissenschaft/en auf neue Grundlagen zu stellen. Dazu gehören die Bildung von thematisch spezialisierten Vernetzungsplattformen, die Gründung einer Fachzeitschrift wie auch die Organisation von wissenschaftlichen Kongressen.
Der Erste Kongress der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft findet vom 12. bis 14. November 2015 an der Leuphana Universität Lüneburg statt – einer Institution, die über eine längere kulturwissenschaftliche Tradition verfügt. Der Kunstraum der Leuphana Universität, der von Anfang an in das kulturwissenschaftliche Programm an dieser Universität eingebunden war (vgl. z.B. »Games, Fights, Collaborations. Kunst und Cultural Studies in den 90er Jahren«, hg. von Beatrice von Bismarck, Diethelm Stoller und Ulf Wuggenig 1996), unterstützt diese Bemühungen um den kulturwissenschaftlichen Austausch, nicht zuletzt durch Beteiligung am Aufbau der Sektion »Kulturwissenschaftliche Ästhetik« innerhalb dieser Gesellschaft. Dazu hat er auch Ruth Sonderegger, Philosophin an der Akademie der bildenden Künste Wien, zu einem Impulsvortrag eingeladen. Sie wird am 13. November im Rahmen dieser Sektion über »Die Macht der Ästhetik« sprechen und das Konzeptpapier, das von Amalia Barboza (Universität Saarbrücken), Stefan Krankenhagen (Universität Hildesheim) und Ulf Wuggenig (Leuphana Universität Lüneburg) gemeinsam entwickelt wurde, kritisch kommentieren.
Das Kongressprogramm sieht vier Plenarvorträge von Kulturwissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen vor: Die Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel (Zentrum für Literatur- und Kulturwissenschaft Berlin) wird unter Rekurs auf den Breivig-Anschlag in Oslo von 2011 zum Verlernen von Mit-Gefühl bei gleichzeitiger Ausbreitung von Mit-Gefühl im öffentlichen Raum sprechen. Der Vortrag des Soziologen Andreas Reckwitz (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder) behandelt die Singularisierung-Kulturalisierung westlicher Gesellschaften als Gegentendenz zu deren Renationalisierung und Standardisierung. Die Ethnologin Heidrun Friese (TU Chemnitz), die ethnografische Forschung unter Flüchtlingen in Lampedusa durchführte, wird das Thema der Gastfreundschaft vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Wanderungen von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und aus Asien nach Europa und fremdenfeindlichen Reaktionen unter Bezug auf Derridas Überlegungen zur Gastfreundschaft behandeln. Orit Halpern (Concordia University Montréal) wird sich kritisch mit Veränderungen von Kunst und Humanities angesichts der Ausbreitung von Design und technologischer Rationalität widmen. Weiterhin stehen neben der Arbeit in bislang konstituierten zehn Sektionen, Netzwerken und Ad-hoc-Gruppen Diskussionen im Plenum auf dem Programm, an denen Forscher*innen, Lehrende und Studierende aus insgesamt zehn Universitäten, an welchen die neuen Kulturwissenschaft/en eingerichtet wurden, beteiligt sind. Sie werden sich der Institutionalisierung der Kulturwissenschaft/en vor dem Hintergrund der gleichzeitigen Kulturalisierung und Ökonomisierung der westlichen Gesellschaften wie auch der Cultural Turns in den Geistes- und Sozialwissenschaften widmen.
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Die Veranstaltung basiert auf einer Kooperation des Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg mit der Fakultät Kulturwissenschaften der Leuphana Universität und der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft.