Einübung in die Kunstkritik
Vortrag von Helmut Draxler
24. Januar 2013
Kunstkritik kann heute nicht mehr ausschließlich an einer Beschreibung und Einordnung einzelner Kunstwerke ansetzen. Vielmehr muss sie eine Reflexion der Bedingungen und Verhältnisse des Kunstfeldes leisten, die sich seit den 1980er Jahren dramatisch verändert haben und die zumindest darüber mitbestimmen, was überhaupt und unter welchen Umständen als Kunst gelten kann. Von vielen Akteuren des Feldes wird sogar diese Geltungsfrage abgelehnt und es werden Ansprüche an die eigenen Arbeitsweisen unmittelbar als Forschung, Kritik, politischer Aktivismus, mediale oder popkulturelle Intervention bzw. auch als Investment erhoben. Kunstkritik scheint zunehmend gefragt, solche Ansprüche zu reflektieren und in Zusammenhang mit ihren konkreten Produktions- und institutionellen Erscheinungsweisen zu setzen. Dies setzt jedoch ein historisches Modell des Verstehens zeitgenössischer Kunst jenseits der modernistischen oder avantgardistischen Narrative voraus, das die einzelnen Praktiken oder Phänomene in ihren Logiken, Zielsetzungen und Zusammenhängen zu erfassen erlaubt.
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Helmut Draxler, 1956 in Graz geboren, lebt in Berlin. Als Kunsthistoriker und Kulturtheoretiker publiziert er regelmäßig zu Theorie und Praxis der Gegenwartskunst und ist als Kurator tätig. Von 1992–1995 war er Direktor des Kunstvereins in München, von 1999–2012 Professor für Ästhetische Theorie an der Merz Akademie, Hochschule für Gestaltung in Stuttgart. 2012 nahm er eine Professur für Kunsttheorie und -vermittlung an der AdBK Nürnberg an. Zwischen 2004–2006 Beteiligung am Forschungsprojekt »Avantgarde, Film und Biopolitik« an der Jan van Eyck-Akademie in Maastricht gemeinsam mit Sabeth Buchmann und Stephan Geene. Derzeitige Forschungsschwerpunkte sind eine Theorie der Vermittlung sowie das Denken von Geschichte in den Historiografien moderner und zeitgenössischer Kunst.