Die Stadt ist unsere Fabrik

Diskussion von Christoph Schäfer mit Stefan Römer
11. Juli 2011

Christoph Schäfer präsentiert im Kunstraum seinen künstlerisch-aktivistischen Zugang auf der Grundlage seines viel beachteten Bildessays, der 2010 als “Die Stadt ist unsere Fabrik” bei Spector Books erschien. Mit dem Aquarellstift zeichnete Christoph Schäfer darin die Begriffslandschaften und Entwicklungen nach, die der Philosoph und Soziologe Henri Lefèbvre in seiner Studie “Die Revolution der Städte” heraufziehen sah.

Schienen noch vor wenigen Jahren die Widerstände gegen eine Stadtentwicklung unter den Vorzeichen neoliberaler Gouvernementalität eingeschlafen bzw. “auf dem glitschigen Terrain des Postfordismus keinen Halt mehr zu finden”, so flackerten soziale Bewegungen in jüngerer Zeit wieder auf, nicht zuletzt in Hamburg. Eine Reihe neuer Initiativen entstanden und begannen sich zu vernetzen, Bündnisse von Sozial- und Künstlerkritik formierten sich. Welche Rolle können subkulturelle und künstlerische Dissidenz in den neuen Kämpfen um “das Recht auf Stadt” spielen, ohne der Vereinnahmung und Instrumentalisierung zu unterliegen und gegen alle Absichten das Machtfeld zu stärken?

Stefan Römer wird die Diskussion mit Christoph Schäfer führen, bevor sie für die Anwesenden geöffnet wird.

Christoph Schäfer wohnt und arbeitet in Hamburg. Seit den frühen 1990er Jahren beschäftigt er sich mit städtischem Alltag und der Produktion von Räumen kollektiver Leidenschaften. Schäfer ist maßgeblich an “Park Fiction” beteiligt, dem aus “kollektiver Wunschproduktion” entstandenen Park an St. Paulis Hafenrand. Mit “Park Fiction” war Schäfer Teilnehmer an der Documenta 11. An Arbeiten aus dem letzten Jahrzehnt sind hervorzuheben: Die Filminstallation “Revolution Non Stop” (2000), für die ein Teil der Hamburger Innenstadt in ein Spiel mit den Resten der Überproduktion in den zukünftigen Ruinen des Fordismus verwandelt wurde. Als Teil der Gruppe “Park Fiction” interessiert Schäfer der Austausch mit unterschiedlichen Subjektivitäten und die gemeinsame Neudefinition eines öffentlichen Raums. Die Installation “Melrose Place” in Bangalore untersucht den Einfluss von Neuen Medien auf urbane Prozesse und Vorstellungswelten in der indischen Softwaremetropole. “Hoang’s Bistro” (2005) befasst sich mit asiatischen Schattenstädten in Leipzig. 2009 entstand “Abbellimento Strategico” eine Malerei zu Kunst und Ökologie als Camouflage für Investorenarchitekturen, für das Isola Art Center, Milano. Im Rahmen der Kulturhauptstadt RUHR.2010 markierte er Orte des Ruhraufstands 1920 mit den Mitteln des Stadtmarketings: “Auslaufendes Rot – Anti-Monument für die Rote Ruhr Armee”. Christoph Schäfer arbeitet bei “Es regnet Kaviar” mit, dem Hamburger Aktionsnetzwerk gegen Gentrification. 2010 erschien sein erstes Buch, “Die Stadt ist unsere Fabrik”, bei Spector Books.

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Der Künstler Stefan Römer betreibt eine diskursive Praxis der Intervention im zeitgenössischen Kunstfeld. Mit seiner dekonstruktiven Lektüre von Konzeptualismen – wie etwa seinem Essay-Film “Conceptual Paradise” und dem dazugehörigen Wiki-Projekt – kritisiert Stefan Römer nicht nur die vorherrschende Rezeption der konzeptuellen Kunst als eine künstlerische Produktion, die visuelle Strategien angeblich unterdrücke, sondern entwickelt vor allem ein anderes Modell der Beziehungen von Wort/Bild und Praxis/Theorie; zudem begründet er eine dekonstruktive künstlerische “Theorie als Praxis und Praxis als Theorie”. Er betrachtet das Internet in diesem Sinn als eine erweiterte Form der Ausstellung. Stefan Römers Interesse richtet sich mit diesem Wiki-Projekt darauf, eine Alternative für die künstlerische Präsentation zu entwickeln, die sich nicht auf den physischen Raum beschränkt.