Demanding Supplies. Nachfragende Angebote III
Phase 3: Besides Reproduction
5. November bis 22. Dezember 2011
mit Daniel Buren, Diego Castro, Maria Eichhorn, Katja Staats, Stephan Dillemuth, Loretta Fahrenholz, Phillip Zach, nOffice
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Der Kunstmarkt ist einer langen kritischen Tradition folgend als das die Kunst kontaminierende »Andere« verstanden worden. In jüngerer Zeit wird vermehrt versucht, die Dichotomie von Kunst und Ökonomie einer differenzierteren Analyse zu unterziehen: der Kunstmarkt erscheint hier als ein hochgradig ritualisiertes, segmentiertes und von komplexen sozialen Prozessen geprägtes System. Während er in einigen Hinsichten anderen Märkten gleicht, zählen zu seinen Besonderheiten Intransparenz sowie distinktive Werteregimes und verborgene symbolische Kommodifizierungsprozesse im Zusammenspiel einer Vielzahl von Aktanten. Ein Bewusstsein über diese Bedingungen ist heute im Kunstfeld vielfach vorhanden. Nach wie vor setzen sich zahlreiche Künstler/innen kritisch mit den Tücken jenes Marktes auseinander – ohne einer Euphorie oder einer Phobie zu verfallen. Im Dickicht des schnelllebigen und als diffus empfundenen Kunstmarktes scheint die explizite Positionierung für die Reflektion der eigenen Involviertheit unerlässlich.
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Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg widmen sich im Jahr 2011 unter dem Titel »Demanding Supplies – Nachfragende Angebote« drei Ausstellungsprojekte der Kunst und ihren Märkten. Für die erste Phase »Enabling Space« erarbeiteten nOffice (Markus Miessen, Ralf Pflugfelder, Magnus Nilsson) eine neue räumliche Situation und fragten so, wie die Präsentationsbedingungen von Kunst das spannungsreiche Verhältnis zu ihrem Markt vorbestimmen.
In der zweiten Phase »Trans-Actions« wurde in Kollaboration mit der Halle für Kunst Lüneburg e.V. und dem Kunsthistoriker Magnus Schäfer am Fallbeispiel der New Yorker Galerie American Fine Arts, Co. – gegründet von Colin de Land (1955-2003) – ein Phänomen der jüngsten Kunstgeschichte in einer Doppelausstellung thematisiert: die Zusammenführung von üblicherweise als Gegensätze betrachteten Formen von händlerischer und künstlerischer Praxis. Beteiligt an dieser Ausstellung waren Art Club 2000, Patterson Beckwith, J. St. Bernard, Stephan Dillemuth, John Dogg, Loretta Fahrenholz, Karl Holmqvist, Jackie McAllister, James Meyer und Phillip Zach. Parallel zu dieser Thematisierung der Wirkungsweisen künstlerischer Märkte beleuchtete die Künstlerin Carissa Rodriguez in ihrer Installation »Secrétaires« das Problem der professionellen Verortung in der Kunstwelt. Die Arbeiten von drei Künstler/innen aus dieser Gruppe gehen in die aktuelle Ausstellung ein.
Die dritte Phase »Besides Reproduction« fügt nun vier künstlerische Positionen hinzu, die den Kunstmarkt unter verschiedenen Prämissen ins Blickfeld rücken: Maria Eichhorn, Daniel Buren sowie die beiden Preisträger des 2011 erstmals ausgelobten Daniel Frese Preis für zeitgenössische Kunst, Diego Castro und Katja Staats.
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Maria Eichhorn untersucht seit den 1990er Jahren das Feld der Kunst. Ein bekanntes Beispiel ist die Arbeit »Maria Eichhorn Aktiengesellschaft” (2002) für die documenta 11, einer mit dem Produktionsetat gegründeten Aktiengesellschaft, die durch das Einfrieren des Kapitals ihr eigenes System ad absurdum führte. Für die Schau im Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg greift die Künstlerin eine Ausstellungsserie auf, die sie in der Berliner Galerie Barbara Weiss im Zeitraum von 1995-2001 vier Mal präsentierte. Die Ausstellungen inszenierten eine Art »Resteverkauf«, der nach dem Prinzip der sukzessiven Reduktion funktionierte. Jedes Objekt, das in einer der Schauen verkauft wurde, fehlte im Inventar der darauf folgenden. Einblicke in die Dynamiken von Angebot und Nachfrage ermöglicht eine für jede dieser Ausstellungen aktualisierte Einladungskarte, die alle Arbeiten in alphabetischer Reihenfolge festhält. Zehn Jahre nach der letzten Präsentation aktualisiert Eichhorn diese Karte erneut, die nun neben den vier vorangehenden in einem von der Künstlerin konzipierten Display gezeigt wird. Auf diese Weise entwickelt sie eine partielle Fortsetzung – Reproduktion und Retrospektion dieses marktreflexiven Projektes zugleich.
Mit der »Immaterialistischen Internationale« schuf Diego Castro im Jahr 2005 eine Bewegung, die in der Folge additiv erweitert wurde: Performances, Videos, Installationen, Pamphlete und hunderte von Zeichnungen bilden heute den Werkkomplex, der auf eine Kritik an den gängigen Distributionsformen und Repräsentationssystemen von Kunst abzielt. Für einen Entwurf, der aus diesem Komplex hervorging, wurde er von der Fachjury unter Vorsitz von Beatrice von Bismarck (Rektorin der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig) mit dem Daniel Frese Preis 2011 für zeitgenössische Kunst ausgezeichnet sowie von Laudator Robert Fleck (Intendant der Bundeskunsthalle Bonn) gewürdigt. Die »Immaterialistische Internationale« diskutiert den ritualistischen Wert der Kunst und proklamiert Möglichkeiten der Teilhabe in Übergehung der vielfältigen Filter des Feldes. Das Mittel der Reproduktion setzt Castro ein, indem er die Möglichkeit der technologischen Vervielfältigung bei Vorenthaltung des Originals im Sinne Walter Benjamins aktualisiert. Für die Ausstellung im Kunstraum entwirft Castro einen Überblick über sein Projekt, der die Bezüge zur »Situationistischen Internationale«, ihrer kapitalismuskritischen Impulse und ihrer politischen Forderungen in den 1960er Jahren erschließt. Poster, Tondokumente und Zeichnungen zu Themenkomplexen wie »Kunst und Kunsthandel« oder »Arbeitsbedingungen für Kulturarbeiter« stehen mittels Kopiermaschine für die Besucherinnen und Besucher zur Verfügung.
Mit der Intransparenz des Kunstmarktes und den sozialen Mechanismen der Kunstwelt setzt sich Katja Staats – Preisträgerin des Daniel Frese Preis 2011 für zeitgenössische Kunst im Bereich junge Kunst – auseinander. Für die Ausstellung besuchte die in Buchholz im Landkreis Harburg tätige Künstlerin 13 Kunstschaffende aus ihrem geographischen Kontext, um an unterschiedlichen Orten einige ihrer Kunstwerke abzulichten. Auf jeder der Schwarzweiß-Aufnahmen ist Katja Staats selbst sichtbar, als Rückenfigur auf das Kunstwerk im Bild blickend. Weitere kunsthistorische Allusionen in dieser Bildanordnung sind das »Bild im Bild« sowie die sich selbst in einen Bildzusammenhang versetzende Künstlerin. Hier ermöglicht die Reproduktion von Personen im Bild dem/der Betrachter/in in die Rolle verschiedener Protagonist/innen des vernetzten Kunstmarktes zu schlüpfen. Vervielfältigt werden die Perspektiven auf ein System, dessen Akteure sich an spezifischen Konventionen orientieren und dabei von Interessen geleitet sind, die nicht selten verschleiert werden. Auf diese Weise befragt Staats nicht nur ihre eigene Position. Sie nimmt über die repräsentierten Kunstwerke von Künstlerkolleg/innen aus ihrem eigenen Kontext auch eine Verschiebung der Aufmerksamkeitsökonomie durch Inversion von Peripherie und Zentrum vor.
Die partielle Homologie von Kunstwerken und anderen Luxusobjekten wird in einem noch kaum bekannten Projekt von Daniel Buren untersucht. Im Jahr 2008 ging dieser Protagonist der ersten Generation von Conceptual Art und Institutionskritik eine gewagte Liaison von Kunst- und Modemarkt ein. Für die Luxusmarke »Hermès« designte Buren 365 Seidentücher von der Sorte, wie sie als Markenzeichen des Hauses fungieren. Die Motive, die er dafür einsetzt, stellen eine Auswahl aus seinem Konvolut tausender »photo-souvenirs« dar. Diese Fotografien stellte Buren selbst seit den 1950er Jahren von seinen ortsspezifischen und ephemeren Kunstprojekten her, zeigte sie bislang jedoch lediglich in Büchern. Neben den »photo-souvenirs« sind die Seidentücher mit einem weiteren »Markenzeichen« Burens bedruckt: den stets 8,7 cm breiten Streifen, die er ursprünglich einem handelsüblichen Markisenstoff entnahm und seitdem verwendet. Als Rahmen der »photo-souvenirs« auf den Seidentüchern besetzt das Streifenmuster nun neues Terrain in werkimmanenter Logik. Als Oberflächen unterschiedlicher räumlich-gesellschaftlicher Situationen generiert Buren seine kritischen Schnittstellen von Kunst, Design und Handwerk sowie Mode. Diese dreifache Reproduktion – des ephemeren Kunstprojektes durch das »photo-souvenir«,des »photo-souvenir« durch das Seidentuch und des Markisenstoff-Musters und künstlerischen Kennzeichens als gleichwohl ins Werk gesetzter Rahmen für beides – thematisiert der Künstler in dem für den Kunstraum entwickelten Arrangement als Frage der Differenz von Kunstwerk und Luxusobjekt. Dieses lässt auch Raum für Burens eigene Fragen an die Sphäre des Distinktionsgewinns und den schmalen, permanent neu in Frage gestellten Grat der Kritik, der es dennoch vermag, Kunstwerk und Luxusobjekt immer wieder zu unterscheiden.
Mit der Weiterführung von Elementen aus dem zweiten Ausstellungsprojekt »Trans-Actions« fügen sich die gezeigten Arbeiten zur letzten Phase der Serie »Demanding Supplies – Nachfragende Angebote« zusammen. So zitiert die integrierte Textinstallation Phillip Zachs Fragmente aus dem diskursiven Nachlass der New Yorker Galerie American Fine Arts, Co. Die Videoarbeit von Stephan Dillemuth, die ein Gespräch des Künstlers mit deren Protagonisten Colin de Land sowie dem Künstler Joseph Strau zeigt, rückt in die für Besucher/innen geöffnete Hinterbühne, das Büro des Kunstraums, vor. Loretta Fahrenholz ist über ein Plakat ihres Films »HAUST« vertreten, den sie als Trailer parallel zu Einblicken in die Sammlung von Video- und Super-8-Filmen Colin de Lands gezeigt hatte und der Herausforderungen in Übergangsphasen künstlerischer Laufbahnen verhandelt.
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Workshop mit Maria Eichhorn (Berlin)
Sa 5. 11. 2011, 11 – 14h, Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg,
Campus Gebäude 5, Raum 326
Workshop »Passion Investments in Art Markets«
Olav Velthuis (University of Amsterdam):
»A Market in Stasis. Why Contemporary Art is Always Sold in the Same Way«
Larissa Buchholz (Columbia University New York):
»The Relationship of Symbolic and Economic Value in the Global Art Field. Challenging the Convergence Thesis«
Massimiliano Nuccio (Leuphana Universität Lüneburg, Bocconi University Milan):
»The Art Market between (Creative) Economy and Economics«
Christoph Behnke, Steffen Rudolph, Ulf Wuggenig (Leuphana Universität Lüneburg):
»Art Market Research – Some Non-Obvious Results«
Fr 25. 11. 2011, 14 – 19h, Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg,
Campus Gebäude 5, Raum 326
Präsentation »Neue Auftraggeber in Hamburg« mit Harun Farocki, Nina Möntmann, Vera Tollmann
Fr 16. 12. 2011, 18h, Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg, Campus Gebäude 5, Raum 326
In die Ausstellungsreihe »Demanding Supplies – Nachfragende Angebote« involvierte Kuratorinnen und Kuratoren sind Julia Moritz, Valérie Knoll, Hannes Loichinger, Magnus Schäfer und Cornelia Kastelan.
Die Ausstellung basiert auf einer Kooperation des Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg mit dem im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) von der EU und dem Land Niedersachsen geförderten Projekt KIM, Innovations-Inkubator der Leuphana Universität Lüneburg.