TRANSFORM. Institution und Kritik
Vortrag von Gerald Raunig (Wien)
20. Oktober 2005
Unter dem Titel TRANSFORM wird diesen Herbst in der Nachfolge von republicart ein im EU Kultur 2000 Schwerpunkt gefördertes transnationales Forschungsprojekt gestartet, das in den kommenden drei Jahren Aspekte des Verhältnisses von Institution und Kritik erforschen soll. Koordiniert durch das in Wien ansässige European Institute for Progressive Cultural Policies (eipcp) werden Kunstinstitutionen in ganz Europa diskursive Veranstaltungen und Ausstellungen zum Thema Institutionskritik organisieren. Zu den Hauptpartner des Projekts zählt neben dem Kunstmuseum Lentos in Linz, dem Latvian Center for Contemporary Art in Riga, dem MACBA in Barcelona und dem Van Abbe Museum in Eindhoven auch der Kunstraum der Universität Lüneburg.
Das Projekt TRANSFORM wird die Beziehung von Institution und Kritik entlang dreier Linien untersuchen, die sich an einigen Punkten überschneiden, grundsätzlich aber differenziert werden sollen.
Die Linie der Institutionskritik als spezifische Kunstpraxis. Hier lautet die These des Projekts, dass nach den zwei Phasen der Institutionskritik in den 1970ern und 1990ern mit ihren kritischen Interventionen in konkrete (Kunst-)Institutionen und ihrer Problematisierung der Kunst als institutionellen Felds eine neue Phase der Kritik im Entstehen begriffen ist. Diese neue Entwicklung – in der sich eine komplexe Bündelung von Gesellschaftskritik, Institutionskritik und Selbstkritik ankündigt - soll im Vergleich und Austausch mit Praxen der beiden früheren Phasen thematisiert werden (etwa durch Einzelausstellungen von Alan Kaprow im Van Abbe Museum oder Michael Asher im MACBA, aber auch durch historische Kontextualisierungen wie die Ausstellung „Troublemakers“ im Linzer Lentos sowie vor allem auch durch die Präsentation aktueller Positionen).
Die Linie der Kunstinstitutionen. Hier wird nach der aktuellen Entwicklung von radikalen Positionen kritischer Kunstinstitutionen gefragt. Das soll einerseits vor dem Hintergrund geschehen, dass Kunstinstitutionen oft als Agentinnen einer Appropriation politischer Themen und Praxen kritisiert werden, andererseits aber offen gesellschaftskritisch agierende Kunstvereine, -museen und -initiativen zunehmend unter Druck einer teils autoritär-repressiven, teils neoliberal-populistischen Kulturpolitik geraten. Jenseits dieser defensiven Figuren und der Frage nach diesbezüglichen Gegenstrategien sollen auch mögliche neue Organisationsformen kritischer Kunstinstutionen diskutiert werden, die neben künstlerischen und theoretischen Reflexionen auch eine selbstreflexive Haltung und die Redefinition ihrer gesellschaftlichen Funktion erproben.
Die Linie des Verhältnisses von Institution und Kritik als (sozialer) Bewegung: Auf dieser allgemeinsten Ebene soll die Frage verhandelt werden, in welchem Verhältnis Institution und Bewegung, Staatsapparate und Maschinen zueinander stehen. Vor dem Hintergrund von allgemeinen Prozessen der Entgrenzung und Vereinnahmung aktivistischer und kritischer Praxen einerseits und immer wieder aufkommender Phantasien von absolut institutionsfreien Zonen der Autonomie andererseits soll untersucht werden, wie dieses Verhältnis im Sinne einer emanzipatorischen Politik und jenseits einer schroffen Grenzsetzung zwischen den beiden Polen produktiv gemacht werden kann.