Hartmut Bitomsky. Reichsautobahn / Das Kino und der Wind und die Photographie

Filmvorführung
6. Juli 2012

Hartmut Bitomsky, »Reichsautobahn«, Deutschland 1985, 92 min.

ders., »Das Kino und der Wind und die Photographie«, Deutschland 1991, 56 min.

Hartmut Bitomsky verantwortet seit den 1970er Jahren als Regisseur mehr als 40 Filme und ist als Autor tätig. In seinen akribisch recherchierten dokumentarischen Kompilationsfilmen, auf deren Produktion sein Schwerpunkt liegt, gibt Bitomsky gefundenem Archivmaterial und Ausschnitten aus älteren Filmen einen neuen thematischen und formalen Rahmen, indem er sie etwa um selbst gedrehte Sequenzen und Off-Kommentare ergänzt. Mit dieser Vorgehensweise legt er nicht nur unterschiedliche historische Perspektiven an, sondern reflektiert auch die Entstehung und Aussage der filmischen Bilder sowie deren Montage und Narration als wirklichkeitskonstituierende Faktoren des Films. Auf diese Weise wirft er Fragen nach dem Status des Mediums in seinem gesellschaftlichen Kontext auf: »Ich glaube, ein Dokumentarfilm sollte nicht die Realität enthüllen, er muss die Realität artikulieren, gliedern.« (Hartmut Bitomsky)

Der Dokumentarfilm »Reichsautobahn« entstand als zweiter Teil von Bitomskys Deutschlandtrilogie. Für die Recherche zu dem ersten Teil »Deutschlandbilder« (1983) sichtete der Regisseur eine Vielzahl nationalsozialistischer Kulturfilme, die auch das verkehrspolitische Großprojekt der Reichsautobahn bewarben. Aus diesem filmischen Material wurde der Film »Reichsautobahn« geschnitten, der die nationalsozialistischen Strategien entlarvt. 1987 erhielt Bitomsky für diesen Film den Grimme-Preis in Gold.

»Das Kino und der Wind und die Photographie« ist ein Film über Filme und über Filmtheorie. Bitomsky analysiert Ausschnitte aus Dokumentarfilmen, nutzt Zitate und bricht mit der Objektivität des Filmemachers, indem er selbst als Kommentator vor der Kamera auftritt. Seinen Film begreift Bitomsky als ein Manifest gegen die Schnappschussfotografie und als ein Plädoyer für ein bewusstes Bildermachen, der ebenso das Verhältnis von Krieg und Kino wie die Produktion anderer Regisseure im Feld des Films, etwa Jean-Luc Godard und Robert Bresson, bedenkt.

Die Filmpräsentation findet in Kooperation mit dem Seminar »Konzeptueller Film – von Marcel Broodthaers bis Harun Farocki« statt, das sich mit Fragen der Konzeptualität in Film und Video beschäftigt. Es wird von Stefan Roemer, der Bitomsky für seinen Essayfilm »Conceptual Paradise« (2005) interviewte, und Ulf Wuggenig geleitet. Die Präsentation ist eingebunden in das Video-Archivprojekt »Conceptual Paradise«, das gemeinsam von Stefan Roemer, dem Kunstraum und dem Institut für Kultur und Ästhetik digitaler Medien (Martin Warnke) der Leuphana Universität Lüneburg realisiert wird.

Einblicke in die Arbeit von Bitomsky geben u.a. die Bände »Hartmut Bitomsky. Geliehene Landschaften. Zur Praxis und Theorie des Dokumentarfilms«, hg. von Marius Babias / Neuer Berliner Kunstverein, Berlin 2012 und Hartmut Bitomsky, »Kinowahrheit«, hg. v. Ilka Schaarschmidt / Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NRW, Berlin 2003.