Die Anomie der Finanzwelt

Vortrag von Henrik Kreutz
26. Juni 2012

Der Wandel der finanziellen Märkte, der individuellen und kollektiven Akteuren – »rationalen Egoisten« - ungeahnte Spielräume eröffnete, zeitigt dramatische Effekte. Die Krisen in Griechenland und Spanien geben rezente Beispiele ab. In den kulturellen Feldern kam angesichts der Verbreitung einer ökonomischen Rationalität und unter dem Eindruck von oftmals in die Finanzwelt eingebundenen Milliardären, die in wenigen Jahren bis zu einer Milliarde Dollar in Kunst investierten, in den letzten Jahren der Begriff der »Finanzialisierung der Kunst« auf.

Der Vortrag von Henrik Kreutz widmet sich kritisch autonom handelnden Finanzinstitutionen und -akteuren. Es werden Ergebnisse dreier Fallstudien vorgestellt - Strategien einer führenden Investmentbank (Goldman & Sachs), der spekulative Angriffe auf die europäische Union zugeschrieben werden, wobei Griechenland als »Sprengsatz« fungiert, Praktiken eines Nationalbankpräsidenten (András Simor in Ungarn) und eines weithin bekannten Investors (George Soros), der auch in das Feld der Kunst intervenierte. Darüber hinaus geraten die Ratingagenturen und deren Mißachtung der Gebote der Wissenschaft in das Blickfeld. Aus den Fallstudien werden allgemeine Erkenntnise abgeleitet sowie theoretische, methodologische und politische Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Finanzmärkte gezogen.

Henrik Kreutz ist Professor emeritus für Soziologie. Er lehrte u.a. an den Universitäten Wien, Hannover, Hamburg, und Budapest. Er ist einer der führenden Vertreter der sich von Charles S. Peirce herleitendenden »pragmatischen Soziologie«. Von 1981 bis 2007 war er Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie und Sozialanthropologie an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die theoretische Soziologie, die Methodologie der empirischen Sozialforschung, die Kultursoziologie sowie die Wirtschafts- und Finanzsoziologie. Henrik Kreutz ist Herausgeber der Zeitschrift »Angewandte Sozialforschung«.